Im vorliegenden Fall hatte der Erblasser seine jahrzehntelange Lebensgefährtin bedacht. Diese ist jedoch vor ihm verstorben. Eine Ersatzerbeinsetzung erfolgt im Testament nicht. In einem solchen Fall ist jedoch durch Auslegung zu ermitteln, ob in der Einsetzung des Erben zugleich die Kundgabe des Willens gesehen werden kann, die Abkömmlinge des Bedachten zu Ersatzerben zu berufen. Wenn der Erblasser in seiner letztwilligen Verfügung seine Lebensgefährtin bedacht hat, legt die Lebenserfahrung für den Fall des vorzeitigen Wegfalls des von ihm eingesetzten Erben die Prüfung nahe, ob der Erblasser im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments eine Ersatzerbenberufung der Abkömmlinge des Bedachten gewollt hat oder gewollt hätte. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, ob die Zuwendung dem Bedachten als erstem seines Stammes oder nur ihm persönlich gegolten hat. In jedem Fall jedoch ist der Erblasserwille anhand aller Umstände des Einzelfalles zu ermitteln.
Der seinerzeit beurkundende Notar gab im Gerichtsprozess an, dass in den Fällen, in denen der Testierende nur einen Erben benenne - insbesondere wenn dieser schon älter sei - er regelmäßig nach Ersatzerben nachfragen würde. Soweit der Testierende erklärt, dass er keine Ersatzerben benennen möchte, werde er zusätzlich darauf hingewiesen, dass dann die gesetzliche Erbfolge gelten würde. Bestätigt der Testierende diese Rechtsfolge, werde vermerkt, dass er weiteres nicht zu bestimmen habe. Auch werde der Testierende darüber in Kenntnis gesetzt, dass er ein neues Testament errichten kann, soweit der von ihm eingesetzte Erbe vorverstorben sei oder sich die Verhältnisse geändert hätten. Der Senat sah keinen Anlass, an der nicht nur nachvollziehbaren, sondern auch plausiblen Darstellung zu zweifeln. Danach entschied sich der Erblasser im maßgeblichen Zeitpunkt der Errichtung des Testaments bewusst und in voller Kenntnis der Tragweite seiner Entschließung gegen eine Ersatzerbenberufung.
Die Tochter der vorverstorbenen Lebensgefährtin trug hingegen vor, dass der Erblasser sich nach dem Tod ihrer Mutter dahin erklärt habe, er wolle sein Testament zu ihren Gunsten ändern. Dies steht allerdings in Widerspruch zu der Annahme, der Erblasser habe mit der Benennung seiner Lebensgefährtin zugleich ersatzweise deren Abkömmlinge berufen wollen. Der Vortrag der Tochter der Lebensgefährtin, der Erblasser habe insbesondere nach dem Tod seiner Lebensgefährtin den Willen gehabt, die Tochter auf jeden Fall als Erbin zu bedenken, lässt keinen Rückschluss auf einen gleich gelagerten Willen im Zeitpunkt der Testamentserrichtung zu. Dieser angeblich spätere Wille ist seinerseits nicht mehr in einer Verfügung von Todes wegen umgesetzt worden.
Da ein tatsächlicher Wille des Erblassers zur Zeit der Testamentserrichtung feststellbar ist, kommt es auf einen mutmaßlichen Willen oder auf eine ergänzende Testamentsauslegung nicht mehr an. Nur wenn der Richter sich von einem tatsächlich vorhandenen wirklichen Willen eines Erblassers nicht überzeugen kann, muss er sich mit dem Sinn des Testaments begnügen, der dem Erblasserwillen mutmaßlich am ehesten entspräche. Dies erlaubt aber nicht, sich bei der Testamentsauslegung insgesamt mit bloßen Wahrscheinlichkeiten zu begnügen, wenn ein tatsächlicher Wille ermittelt ist.